Strand von Bugdu – Hintergrund

Elefanten strahlen auf mich immer Ruhe und Gelassenheit aus. Obwohl sie sehr groß sind, verhalten sie sich ihrer Umwelt gegenüber sehr umsichtig und sensibel. Ich möchte behaupten, daß man von ihnen vieles lernen kann. Schließlich haben sie ja auch ein sehr gutes Gedächtnis …

Durch meine unzähligen Zoobesuche habe ich intensiv Elefanten beobachten können. Sicher wäre eine Studie in der freien Wildbahn noch aufschlußreicher gewesen, jedoch ließen sich – insbesondere im Berliner Zoo – sehr interessante Beobachtungen machen.

Den Betrachtungen aus der Ferne folgten direkte Begegnungen. Das heißt, ich habe Elefanten Auge in Auge gegenüber gestanden und habe sie berührt – ja ich möchte schon sagen ‚geatmet‘!
Für mich war erstaunlich, daß sich die Haut sehr weich anfühlt. An den Beinansätzen ist sie sogar so empfindlich wie bei einem Menschen. Viele sagen, daß die Haut eines Elefanten sogar sensibler als die eines Nashorns sei.
Haben Sie schon einmal die Zunge eines Elefanten berührt? … ich schon …

Elefanten sind sehr neugierig. Wer plötzlich eine Rüsselspitze im Gesicht wiederfindet, braucht eigentlich keine Angst zu haben. Das Tier zeigt damit seine Neugierde, sein Vertrauen – es möchte Kontakt knüpfen.
Trotzdem gilt Respekt: Auch ein halbstarker Elefant ist in der Lage, einen Menschen ernsthaft zu verletzen.

Wie es zu diesem Buch kam:

Die erste Idee hat man irgendwann. Später folgt eine zweite, und oft merkt man gar nicht, daß da eine ganze Geschichte in einem schlummert. Diverse Studien und Inspirationen festigen das Gerüst, und ganz unverhofft flattern einem Zeitungsartikel in die Hände, die den nächsten Anstoß geben.

Oft sind es nur Schlagzeilen, wie z.B. „Die unbewohnte Insel Elephant Island“.

Kennen Sie die wahre Geschichte vom Elefanten „Rajan“? Der Arbeitselefant schuftete 40 Jahre und soll der einzige noch lebende schwimmende Elefant sein. Mit seinem Mahut Nazroo lebt er alleine auf einer Insel und genießt den Ruhestand. Rajan und Nazroo sind unzertrennlich. Ihre Beziehung ist so stark, daßder Elefant sogar auf seinen Mahut aufpaßt. 

Oder haben Sie schon von der ebenfalls wahren Geschichte des „Chris Gallucci“ gehört? Der rustikale Mann hat nach seinem Gefängnisau-fenthalt Freundschaft mit einem sehr unberechenbaren, afrikanischen Elefantenbullen geschlossen. Die beiden lebten alleine in der Wildnis, bis der Elefant nach fast dreißig Jahren starb. Das Besondere daran war, daß beiden eine gewisse Bösartigkeit nachgesagt wurde, die erst durch ihr gegenseitiges Kennenlernen und langes Zusammenleben verschwand. 

Die erste Idee zu „Strand von Bugdu“ hatte ich am Strand von Borkum. Ein Jahr später, bei einer nächtlichen Strandwanderung auf Norderney, wußte ich, wie das Buch aussehen sollte.

Zusammenfassung:

Herausgekommen ist eine Novelle, die viel mehr als ein Buch über einen Elefanten ist – sie spiegelt uns selbst wider, wer wir sind, und was wir über uns wissen (wollen). Der Leser erfährt eine Menge und wird zu einem verblüffenden Ende geführt.

Wer das Buch aber aufmerksam liest und überdenkt, kann sogar verschiedene Lösungsansätze erkennen – vergleichbar mit einem Bild, auf dem zweideutige Darstellungen innerhalb derselben gezeichneten Züge zu sehen sind (junge Frau/alte Frau  …  verborgene Gesichter/Kelch). Man muß sich allerdings darauf einlassen, den gebotenen Spielraum kreativ nutzen … Es lohnt sich also, „Strand von Bugdu“ zweimal zu lesen! Es bleibt ein Geheimnis …

Ich habe das Buch illustriert und auch das Cover gestaltet (das Original besteht aus selbst entworfenen und zugeschnittenen Pappteilen). Außerdem durchzieht „Strand von Bugdu“ eine einfache, aber wirkungsvolle These, die nach meinen seinerzeitigen Recherchen von Thomas Fink stammt, jedoch auch in weiteren, nicht näher bekannten Quellen zu finden ist: „Glaube nicht alles, was du denkst!“

Viele behaupten, es wäre mein bestes Buch …

Strand von Bugdu – Leseprobe

Als sie ihre Bleibe erreicht hatten und Mr. Robin vom Elefanten herabgestiegen war, trabte das Tier sofort zur Trinkwassertonne. Geräuschstark sog Tumbo das gesammelte Regenwasser auf. Mr. Robin ging sofort zu dem Gestrandeten, der noch immer draußen auf der Bank saß und wie hypnotisiert auf den Zettel starrte.

„Na, haben Sie etwas aufgeschrieben?“ kündigte sich Mr. Robin an.
Der Fremde schaute zu Mr. Robin. „Sehen … Sie!“ erwiderte er.
Mr. Robin schaute auf den Zettel. Aber es waren keine Worte zu erkennen, sondern nur Striche. „Was ist das?“ fragte er. „Ein … Bild!“ gab der Fremde zurück. Mr. Robin versuchte, der einfallslosen Antwort mit Humor zu begegnen: „Ja, richtig, wie konnte ich nur fragen?“

Dann nahm er das Papier und hielt es gegen das Licht, weil er dachte, es könnten geheime Schriften zu sehen sein. Aber dem war nicht so. Alle Linien prägten sich deutlich ins Papier ein und es gab nichts anderes als diese gezeichneten Züge.

„Sie haben einen Kreis gemalt, durch den ein waagerechter Strich verläuft.“ stellte Mr. Robin fest. „Genau.“ „Ich frage mich, was Sie mir damit sagen wollen.“Der Fremde gab keine Antwort. „Also überlegen wir mal“, grübelte Mr. Robin, „der Kreis könnte die Sonne sein, der Strich ist das Meer. Da wir zwei Halbkreise haben, ist der obere die Sonne und der untere deren Spiegelung im Wasser. Jetzt könnte man fragen, ob es sich um einen Sonnenauf-oder untergang handelt. Hmm – vielleicht wollen Sie mir damit sagen, daß Ihr Schiffsunglück abends geschah und Sie in der Nacht im Rettungsboot ausharrten? Sie können ja nur ein Schiffsunglück erlebt haben, sonst wären Sie nicht im Rettungsboot gewesen. Man besteigt schließlich nicht freiwillig so eine Nußschale und rudert damit über den Ozean.“

Der Fremde gab weder eine Antwort noch ein Zeichen.

„Vielleicht möchten Sie damit ausdrücken, daß Sie zwei halbe Seelen
in der Brust haben? Gewissermaßen haben Sie ja ein Durchmesser-zeichen gemalt. Vielleicht sind Sie ja dabei, Ihr Leben neu zu gestalten, weil Sie die Hälfte Ihrer theoretischen Lebenserwartung erreicht haben … oder weil Sie meinen, bisher nur ein Durchschnittssleben geführt zu haben?“

Der Fremde zeigte keine Regung.

„Verdammt noch mal, wie soll ich Ihnen helfen?!“ schrie Mr. Robin den Mann an. „Ich habe Sie aus dem Rettungsboot gezogen und hierher gebracht, ich gab Ihnen zu Essen und ein Dach überm Kopf! Alles, was Sie mir dafür zurückgeben, ist ein ‚ich weiß nicht‘ und ein nichtssa-gendes Bild! Wissen Sie was? Ich brauche Sie nicht!
Von mir aus können Sie wieder in Ihr Holzwrack verschwinden und dort verfaulen! Ich bin auch ohne Sie glücklich auf der Insel, alleine mit Tumbo!“
Mr. Robin stampfte in die Hütte und holte einen Obstkorb. „Hier! Essen Sie! Gibt Nervennahrung!“

Mit versteinerter Miene griff der Fremde in den Korb und verspeiste einige Früchte. Schmatzend genoß er sie und blickte dabei auf den Boden.

„Es … es tut mir … leid!“ ließ er während des Kauens verlauten. „Ich erinnere mich … an nichts mehr. Ich … weiß nicht, wie ich heiße… ich weiß nicht, wie alt ich bin … und ich weiß verflucht noch mal nicht… wie ich auf diese Insel … gekommen bin.“ Dann hielt er inne und fügte noch hinzu: „Alles, was mir … in den Sinn kommt… ist diese … Zeichnung. Es tut mir … leid!“

Mr. Robin setzte sich zu dem Mann hin. Für eine Weile verharrte er, versuchte dann, sich zu lockern, dabei atmete er tief durch. „Ist schon gut“, beschwichtigte er nach seiner inneren Einkehr, „wir machen es so: Ich beruhige mich und Sie entspannen sich! Sie können so lange bleiben, wie Sie wollen. Nur ein paar wenige Bitten habe ich: Gehen Sie nicht alleine weg, reden Sie mit mir und wenn Ihnen irgend etwas einfällt, schreiben Sie es auf oder zeichnen meinethalben etwas. Aber ich muß es auch verstehen können! Wenn ich Ihnen helfen soll, müssen wir uns austauschen!“

Der Fremde nickte und schaute Mr. Robin mit dankbarem Blick an. Dann bekamen seine Augen den Glanz der Rührung.

„Und solange Sie Ihren Namen nicht wissen, werde ich einen für Sie aussuchen“, fuhr Mr. Robin fort und fügte noch hinzu: „Vielleicht haben Sie einen Namenswunsch?“

Der Fremde war sich unschlüssig. Was für einen Namen sollte er sich auch geben? ‚Mr.-Ich-Weiß-Nicht‘ vielleicht? Er öffnete seine Hände und versuchte damit anzudeuten, daß er einen neuen Namen akzeptieren würde.

„Also gut. mal überlegen … hmm … Sie sind jemand Neues auf der Insel … und Sie sind ein Mann … hmm … also … hmm … wissen Sie was? Ich nenne Sie ‚Mr. Newman‘! Sind Sie einverstanden?“

Der Fremde nickte. Dann wiederholte er seinen neuen Namen ganz langsam, ließ ihn geradezu auf seiner Zunge zergehen und versuchte, zu lächeln.

„Willkommen, Mr. Newman!“ sagte der Elefantenmann und reichte ihm die Hand. Mr. Newman erwiderte diese, beide besiegelten somit ihre Verbundenheit, und es war Tumbo, der hinzukam und seinen Rüssel auf die ineinandergefalteten Hände legte.

* * *

„Schauen Sie sich das Tier an. Es ist groß, aber fast lautlos. Es kann gefährlich sein, aber es frißt nur Pflanzen. Es ist schwer, läuft aber weich wie auf einem Pudding. Es könnte alles niederwalzen, liebt aber den Frieden, braucht sogar Zärtlichkeiten.  Die Natur ist voller Gegensätze. Und trotzdem oder gerade deshalb hat alles seinen Sinn. Das gilt nicht nur für Elefanten! Das gilt auch für uns!“

Mr. Newman stand auf und ging ein paar Schritte umher. Er kratzte sich am Kopf, manchmal verschränkte er aber auch die Arme hinter den Rücken. Ihn ihm schien es heftig zu arbeiten. Dann ging er zum Spülsaum und schaute aufs Meer. Er tat dies lange, obwohl er sich ja sonst dabei unwohl fühlte. Diesmal aber schien ihm dieser Anblick nichts auszumachen. Dann holte er tief Luft und fragte: „Warum … erzählen Sie mir … das alles?“

Mr. Robin stand auf und ging zu Mr. Newman. Nebeneinander standen sie am Spülsaum, dabei umschmeichelte sie eine zarte Welle. Tumbo watete durch das Wasser, ging aber nur bis zu den Knien hinein. Möglicherweise wäre er tiefer hineingegangen, wenn seine Freunde, die Pinguine, dabeigewesen wären. Aber von ihnen fehlte jede Spur, vermutlich warteten sie am Strand nahe der Hütte auf ihn. „Damit Sie sich erinnern! Werden Sie sich Ihrer Selbst bewußt!“, gab Mr. Robin zur Antwort. „Ich kann es nicht oft genug sagen: Werden Sie ein Elefant!“

* * *