11. Lesung: Das Wellhornboot

“Im Leuchtturm brennt noch Licht” – Gäste im Leuchtturm
> C r e a t i v – C e n t r u m   N e u k ö l l n e r   L e u c h t t u r m
Emser Str. 117, 12051 Berlin
Tel.: (030) 39 50 53 76 / 0152 04 7 05 093

Irene Aselmeier präsentiert: Der Berliner Autor Kay Fischer liest aus seinem Roman “Das Wellhornboot”

Eintritt frei.

10. Lesung: Zeit im Sand

(fand kurzfristig im “Neuköllner Leuchtturm”, Emser Str. 117, 12051 Berlin statt)
Kay Fischer liest aus “Zeit im Sand”
> R e s t a u r a n t   “S h a a n”, Richardplatz 20, 12055 Berlin
Tel.: (030) 68 08 93 82

Eintritt frei.

Das Wellhornboot – Leseprobe

Das Meer war aufgewühlt wie ein übergroßes Gebirge. Grau und schwarz waren die Wellen, die sich drohend auftürmten und immer größer zu werden schienen. An der Krone jeder Welle brach das Wasser um und durchmischte sich mit Luft, so daß dort weißer Schaum sichtbar wurde. Bedrohlich sah der Himmel aus. Tiefschwarze Wolken, schwärzer als schwarz, schoben sich mahnend zu der Stadt, über der sich der Mond langsam vollends verdunkelte. Der Wind blies stark. Die Fenster seines Leuchtturms knirschten wie eine dünne Eisdecke, auf der sich schwere Füße bewegten. Dann sah er, daß seine Fenster mit vielen Regentropfen behaftet waren. Die Tischlampe, die sich in der Scheibe spiegelte, brachte ihr Abbild durch die Regentropfen auf dem Fensterglas wie eine Mondlandschaft zutage. Schwerer Regen trommelte gegen die Scheiben, und der Lichtstrahl seines Turms ließ die Regenmassen deutlich werden. Gleich einem Wasserfall, der sich aus großer Höhe ergießt, stürzte der Regen in das aufgewühlte Meer, dessen Wellen immer größer wurden …

* * *

Mr. Wellhorn stakste im kleinen U-Boot umher. Weit konnte er sich nicht bewegen, alles war eng und vollgepackt. Überall befanden sich Rohre und Hebel, kreisförmige Meßgeräte, Ventile und Handräder. An den Seiten klemmten schmale Sitzbänke, die mit Leder bespannt waren und an ihren Senkrechten Türen hatten. Direkt vor dem Steuerrad war ebenfalls eine Sitzbank, größer und auch höher. Hinter dem Steuerrad thronte eine Säule mit einer dicken Glaskugel. In dieser Glaskugel glänzte ein Kompaß, der sich in einer Flüssigkeit wiegte. Unten, an den Bodenplatten und direkt vor dem Steuerrad erkannte der Wärter einige Pedale, die aus Holz bestanden und mit Messingkanten versehen waren. Etwa in Augen- höhe, links und rechts, hingen große, uhrenartige Meßgeräte, deren Zeiger wie kleine, blecherne Wale aussahen. An diesen Anzeigen blieb der Wärter mit seinem Blick hängen, weil er diese Wale erkannte und sich erinnerte, daß die Mütze des Kapitäns auch einen solchen Wal zierte.

“Das sind die Tiefenmesser!” sagte Mr. Wellhorn.

“Aber da sind ja gar keine Zahlen drauf!” rief der Wärter und ging ganz dicht heran, weil er dachte, daß die Zahlen auch sehr winzig sein könnten.

“Eben!” erwiderte Mr. Wellhorn. “Ich sagte ja, es ist egal! Wir können in alle Tiefen tauchen!”

Der Wärter stutze. Sollte das ein Scherz sein? “Was macht denn ein Tiefenmesser für einen Sinn, wenn keine Zahlen drauf sind? Und wozu braucht man einen Anzeiger, wenn der nichts anzeigen braucht? Noch dazu als Wal geformt?”

Mr. Wellhorn grinste: “Sehen Sie, es ist so, wie ich sagte, In Ihrem Kopf kreisen Gedanken und Sorgen, deren Bedeutung nichtig ist!”

* * *

Für einen Moment war Stille im Boot. Die Worte erdrückten das Gemüt des Wärters, zumal er sich erinnerte, vor kurzer Zeit noch in einer ähnlichen Situation gewesen zu sein.

“Alle auf dieser Insel wollten sich umbringen”, fuhr Mr. Wellhorn fort, “nur keiner traute sich! Niemand wollte den ersten Schritt tun und verschob die ‘letzte Tat’ auf den nächsten Tag – oder auf die nächste Nacht. Die Nächte waren besonders schlimm. Wenn die Dunkelheit sich auf die Insel wie erdrückender Beton legte, waren viele in ihrer traurigsten Stunde und versammelten sich unverabredet auf dem großen Felsen, von dem sie sich herunterstürzen wollten! Herunter auf weitere Steine, auf denen sie erschlagen würden! Manche von ihnen sangen düstere Lieder, andere schwiegen, bis sie die Kraft für den Sprung gefunden hatten. Es sprangen wenige. Die meisten gingen lebenden Körpers die Wand hinunter und nahmen sich ganz fest vor, der Nächste zu sein … Morgen. Die nächste Nacht.”

Der Wärter schwieg. Zwar brannten ihn Fragen, die er am liebsten sofort beantwortet haben wollte, aber die Stimmung dieser Szene schnürte seine Kehle zu, und so konnte er kein Wort herausbringen.

“Die Insel wurde immer voller, und Charlie war schon bald ein alt Eingesessener. Irgendwann stellte er fest, daß er wahrscheinlich nie den Mut finden würde, seinen Entschluß Wirklichkeit werden zu lassen. Mit jedem Tag zögerte er mehr. Mit jedem Tag aber sah er auch immer mehr von diesen Selbstmordkandidaten, und das wiederum drückte seine ohnehin schon tief liegende Stimmung. Irgendwann dann hatten sich einige um ihn ‘gekümmert’, sie sprachen ihm Mut zu. Allerdings nicht den Mut zum Leben – sondern den Mut zum Sterben.”

“Hören Sie auf, das ist ja nicht auszuhalten!” schrie der Wärter und wollte am liebsten gehen.

“Wollen Sie nun Antworten haben – oder nicht!?” Mr. Wellhorn stützte seine Fäuste an die Hüften.

“Ich … ich will Antworten!” beschwichtigte der Wärter. “Erzählen Sie weiter, ich bin ganz still!”

“Charlie wurde immer trauriger und empfand das Leben als einen schwarzen See, in dessen Tiefen, dort, wo es am dunkelsten ist, er hineingerissen werden wollte. Charlies Gemüt bekam aber einen weiteren Knacks, als er erfuhr, daß er eine unheilbare Krankheit hatte. Eine Krankheit, die er von Anbeginn mit sich führte und die im Laufe seines Lebens immer schlimmer wurde. Wie gesagt: Sie war unheilbar! Charlie sah nun wirklich keinen Sinn mehr, sein Leben weiterzuführen, und so bestieg er eines Abends den besagten Felsen.”

* * *

Das Wellhornboot – Hintergrund

Das Seebeben vom Dezember 2004 im Indischen Ozean mit über 150.000 Toten hat bewiesen, daß die Natur mächtiger ist, als wir denken. Mit der größten Kraft rissen die Flutwellen alles nieder, was sich in den Weg stellte.

Ebenfalls erheblichen Schaden richtete im Spätsommer 2005 der Wirbelsturm in den USA an: Häuser wurden zertrümmert, die Stadt New Orleans versank im Meer. Viele Menschen starben, Überlebende gingen mit Waffen aufeinander los, um vor anderen an die letzten Reserven zu gelangen. Warnung an alle: Seuchengefahr!

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Denn obwohl in den letzten Jahren viel für die Umwelt getan wurde, gibt es eben immer wieder neue Ereignisse, die die Mühen Einzelner zunichte machen. Die Natur braucht nur “zu niesen”, und schon fällt ein ganzes Land in sich zusammen. Am Ende trifft es alle!

Aber so klar und deutlich wird es erst, wenn uns das Wasser bis zur Unterlippe steht. Bis dahin erleben wir ein kaum durchkämmbares Dickicht von politischen, wirtschaftlichen, medialen, ideellen und emotionalen Interessen.
Lange Zeit wurden beispielweise die Atomkraftgegner belächelt. Erst 2011, als die schreckliche Katastrophe in Japan (Fukushima) die Gewissheit brachte, daß nicht wir die Welt beherrschen, sondern sie uns, gab es ein greifbares Umdenken. Aber wie lange hält das an?

Wie es zu diesem Buch kam

Als in früheren Jahren immer wieder Tanker-Unglücke auf offener See das Ökosystem verunreinigten, indem sich riesige Ölteppiche durchs Wasser fraßen und somit viele Tiere vergifteten, sah ich mich als sogenannter”Freizeit-Insulaner”, dessen Schulzeit von einer Pfadfindermitgliedschaft begleitet war, aufgerufen, etwas zu unternehmen.
Was lag näher, als ein Buch zu schreiben, dessen Inhalt und Form mir schon seit einigen Jahren im Kopf umhertanzte?

Wie man weiß, ist unser Leben aus dem Meer entstanden. Ohne Wasser können wir nicht existieren. Wird der Fisch vergiftet, so trifft das auch uns, und somit tragen wir die Verantwortung.

Mein Buch handelt von dem verschlissenen Öltanker “Oila” (Oil = Öl), dessen Ankunft im Hafen von einem mysteriösen, fischähnlichen Unterseeboot begleitet wird. Zur gleichen Zeit ziehen düstere Wolken heran und verwandeln die Stadt in eine dunkle Grotte – droht Unheil?

Der Leuchtturmwärter will der Sache auf den Grund gehen und stellt erste Nachforschungen an. Schließlich versetzte der schwarze Nebel alle Bürger in Angst und Schrecken. In der nächsten Nacht geschieht das Unfaßbare: Gigantische Wellen überrollen die Stadt – nur der Leuchtturmwärter überlebt. Er schleppt sich zu dem U- Boot, an dem plötzlich eine Planke mit einer Botschaft baumelt:  “Ich komme vom Meer!” Daraufhin lernt der Wärter Mr. Wellhorn kennen, der mit unheimlichen Kräften in Verbindung zu stehen scheint. Eine spannende Geschichte beginnt …

“Das Wellhornboot” ist gut lesbar und für Leute geeignet, die gerne träumen und darüber hinaus einen Bezug zur Realität finden können. Wer möchte, kann eine Parallele zu Jules Vernes “20.000 Meilen unter dem Meer” in Betracht ziehen. Vom Schreibstil her wurden auch schon Vergleiche zu Michael Ende gezogen.

Das Thema ist in eine phantastische Romanform eingebettet und soll gleichermaßen unterhalten wie sensibilisieren. Menschen ab 12 Jahre bis ins hohe Alter dürfen sich angesprochen fühlen, vor allem dann, wenn eine Vorliebe für Märchen vorliegt.

Zusammenfassend möchte ich einige Rückmeldungen nennen:
“poetisch, spannend, zum Weiterlesen führend, gute Details, das Buch regt zum Nachdenken an!”

“Das Wellhornboot” erschien zuerst 2003 im ‘Nora-Verlag’, Berlin und wurde 2007 bei ‘Books on Demand’, Norderstedt in der überarbeiteten Auflage neu veröffentlicht.
Der “Director’s Cut” startete mit großem Erfolg: Bei Amazon wurde das Buch 57mal angeboten, darüber hinaus erschienen zahlreiche Rezensionen. Das Buch kann direkt beim Verlag, über Online-Shops und auch in jeder guten Buchhandlung bestellt werden (wie übrigens jedes meiner Bücher).

Kay Fischer